Portraits außergewöhnlicher Segler

Zeitwärts: Zwei Reisende im Wind – auf der Suche nach der gewonnenen Zeit

Die beiden Tiroler Gerlinde Sailer und Gunther Redondo sind seit Ende 2014 auf Langzeitfahrt. Zu Beginn hatten sie mit unerwarteten Turbulenzen zu kämpfen, die sie tapfer meisterten, und zwei Jahre später ist für die beiden noch kein Ende in Sicht. Mit ihrem Blog zeitwaerts.at nehmen sie die Leser mit auf ihre abenteuerliche Reise und teilen mit Ihnen Erfahrungen, Gedanken und ihre Zeit. Wie sie sich selbst beschreiben? "Zwei Reisende auf der Suche nach der gewonnenen Zeit".

Wir hoffen, kleine Paradiese zu finden, von denen wir noch gar nicht wissen, dass es sie gibt. 

In unserem Interview erfahren Sie, wie die beiden zum Segeln kamen und was sie antreibt. Zudem berichten sie von ihren Segel-Abenteuern und geben Tipps für diejenigen, die auch vom Segeln träumen.

Ein Segelboot an einem haitischen Strand

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo im Interview

Gerlinde und Gunther

segeln360: Wann haben Sie mit dem Segeln angefangen?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Mit vier oder fünf Jahren: Den Balkon zu Hause gedanklich in ein Schiff verwandelt – und damit über alle Meere gefahren. Der Gedanke blieb und hatte viel Zeit zu reifen... bis zum ersten Segeltörn mit etwa 30. Dann wussten wir: Das ist eine Art zu Reisen, die uns schmeckt. Wir blieben dran, der erste Segelschein kam erst mit Ende 30. Aber da wussten wir schon irgendwie, dass wir auf Kurs sind und der Rest sich fügen würde.

segeln360: Warum haben Sie mit dem Segeln angefangen? 

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Es war stets die Idee dahinter, auf einem Boot zu reisen, unabhängig leben zu können. Segeln als Sport war unwichtig. Es ging darum, das eigene Kielwasser zu hinterlassen, durch das Meer mit der ganzen Welt verbunden zu sein. Überall hinfahren zu können.

segeln360: Was löst Segeln in Ihnen aus? Was motiviert Sie?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Segeln als Fortbewegung ist für uns nicht das Ziel, sondern das, was wir in Kauf nehmen, um unser Ziel zu erreichen. Das Schöne beim Segeln: Unterwegs verfallen wir auf längeren Strecken in einen tranceartigen Zustand, der einen jede Zeit vergessen lässt. Die Belohnung wartet in Form einer idyllischen Ankerbucht mit netten Nachbarn. Ein Leben in einem schwimmenden Tiny-Home, mitten in der Natur, mit stetig wechselnder „Adresse“. Einfach wunderbar.

SY Mouza unter Segeln
Die SY Mouza auf dem Meer
Lagerfeuer am Strand

segeln360: Wann entstand die Idee, eine Weltumsegelung machen zu wollen?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Wir wissen bis heute nicht, ob wir im Begriff sind, die Welt zu umsegeln. Wir halten dies bewusst außen vor. Wenn wir eines Tages die Welt umsegelt haben sollten, dann, weil es uns „passiert“ ist. Wir suchen keinen „Gipfelsieg“, um als Tiroler Bergbewohner zu sprechen, sondern wollen unsere Lebenszeit mit Erlebnissen und Erfahrungen füllen. Wo sich eine Möglichkeit auftut, unsere Pläne zu ändern, ändern wir sie. Diese Freiheit auszukosten, dafür sind wir losgezogen.

segeln360: Was war der bisher schönste Ort, den Sie gemeinsam besegelt haben?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Die schönsten Orte liegen in unseren Köpfen. Was wir schön fanden, haben andere Segler oft als uninteressant oder gar furchtbar empfunden. Zusammenfassend würden wir sagen: Am schönsten ist es, wo man von den nettesten Menschen, den interessantesten Möglichkeiten umgeben ist. Wo sich Türen zu positiven Erlebnissen öffnen. Der Rest ist Zugabe.

Die SY Mouza auf dem Weg zur Reparatur

segeln360: Was denken Ihre Familie und Ihre Liebsten von Ihrer Weltumsegelung?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Sie fiebern mit uns mit. Finden es schade, dass wir so weit weg sind – und sind stolz, dass wir die Reise gewagt haben. Am Ende ist es nicht wichtig, was die anderen denken: Wenn sie sehen, dass man von dem Abenteuer überzeugt ist, sind sie es auch.

segeln360: Was ist Ihr Traumreiseziel?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Wir hoffen, kleine Paradiese zu finden, von denen wir noch gar nicht wissen, dass es sie gibt. Sonst hätte man ja dorthin einfach eine Reise buchen können. Mögliche Traumziele könnten Mikronesien und Papua Neuguinea sein – aber ob wir dort hinkommen? Ob es so ist, wie wir es uns vorstellen? Lassen wir uns überraschen...

Insel im Sonnenuntergang

segeln360Wie finanzieren Sie die Weltumsegelung?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Wir haben 25 Jahre lang hart gearbeitet und haben daher ein paar Ersparnisse. Über unseren Blog www.zeitwaerts.at beteiligen sich auch immer wieder (noch) unbekannte Freunde über unseren „Spenden-Button“ auf der Seite. Unterwegs begleiten uns oft Mitsegler, die uns helfen, die Kosten für das Boot zu decken. Ja, man braucht ein bisschen Geld. Aber unterwegs ergeben sich aus der Notwendigkeit auch Möglichkeiten. Das sehen wir bei vielen Seglern. Daher unser Tipp: Ein bisschen sparen, aber nicht zu lange. Zeit kann man weder kaufen noch sparen oder gar zurückbekommen. Man findet überall Boote für wenige tausend Euro, mit denen man losfahren kann. Wenn man wartet, bis man „genug“ Geld und Erfahrung hat, wird man lange warten. 

segeln360: Wie lange wollen Sie noch weiter die Welt besegeln?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: So lange es uns Freude macht. Und das macht es uns durchaus. Da wir kein regelmäßiges Einkommen haben, können wir uns durchaus vorstellen, immer wieder – auch über längere Zeit – arbeiten zu gehen und die Reise später fortzusetzen. Wir halten uns aber auch offen, jederzeit abzubrechen und andere Wege zu beschreiten.

segeln360: Gab es auch schon brenzlige Situationen an Bord?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Natürlich, aber auch nicht mehr als zu Hause, zum Beispiel im Straßenverkehr, beim Sport – oder im Haushalt.

Gunther hat sich auf See die Daumensehne durchtrennt. Ein Blitz hat in unseren Masten eingeschlagen, manche Kabel haben dann wirklich verbrannt gerochen. Aber: Wir wollten doch Abenteuer erleben, also warum beschweren? Wenn alles glatt ginge, wäre es kein Abenteuer –
sondern bestenfalls ein Pauschalurlaub.

segeln360: Was darf an Bord für Sie persönlich auf gar keinen Fall fehlen?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Gutes Essen und nette Besucher.

Vieles (wie Wasser, Sprit, Energie, Werkzeuge und Ersatzteile) versteht sich von selbst, der Rest ist individuell. In der Regel haben die Leute zu viel an Bord, nicht zu wenig.

Gerlinde und Gunther genießen die Zeit
Gerlinde mit Baracuda

segeln360: Was ist Ihr Segler-/Lebensmotto?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Wenn sich ein guter Grund ergibt, von einem Plan abzuweichen, sollte man ernstlich in Betracht ziehen, es tun. Es warten fast immer unvergessliche Erlebnisse und Lernerfahrungen, die man hinterher nicht missen möchte. Ansonsten halten wir uns gerne an das Motto von Heinz v. Förster: „Handle stets so, dass sich die Anzahl deiner Möglichkeiten erweitert.“

segeln360: Welche Tipps haben Sie für Leute, die auch vom Segeln rund um die Welt träumen?

Gerlinde Sailer und Gunther Redondo: Träumen ist schon mal gut, es ist der Treibstoff für die Reise. Irgendwann muss man sich aber einfach entscheiden, loszulegen. Egal, wie viel Geld oder Kenntnisse man bis dahin zusammenbekommen hat. Es wird ansonsten immer einen guten Grund geben, nicht loszufahren. Die Zeit, nicht das Geld, ist der limitierende Faktor. Und irgendwann ist es einfach zu spät. Man sieht auf sein Leben zurück und es wird einem bewusst, dass man seinen Traum hätte erfüllen können. Aber man hat es nicht getan. Diesen Schmerz sollte man sich tunlichst ersparen.

segeln360: Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme an unserer Interview-Kampagne! Wir wünschen Ihnen weiterhin immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel! 

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